Seit Mitte März ist beim staatlichen „Ergänzenden Hilfesystem“ für Opfer sexuellen Missbrauchs kein Antrag mehr durchgekommen. Auf der offiziellen Website findet sich nur noch ein knapper Hinweis unter „Aktuelles“: Die Gelder sind erschöpft, neue Anträge werden weder angenommen noch bearbeitet – selbst bereits eingegangene Anträge bleiben unbearbeitet. Grund: Weit mehr Anträge als ursprünglich eingeplant.
Der Fonds war ursprünglich geschaffen worden, um Betroffenen ergänzende Hilfen zu ermöglichen, etwa für Therapien oder Hilfsmittel, die von Krankenkassen nicht übernommen werden. Der plötzliche Stopp ist aus Sicht von Unterstützerorganisationen eine bittere Enttäuschung. Der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Thüringen bezeichnete die Situation öffentlich als „Schlag ins Gesicht der Opfer“.
Der Hilfefonds hatte zwei Zuständigkeiten: Für familiären Missbrauch zahlte der Bund, bei Taten unter dem Dach von Institutionen – wie Kirchen oder Sportverbänden – wurden Anträge lediglich weitergeleitet. Auch diese Weiterleitung ist nun unterbrochen, obwohl dafür weiterhin externe Institutionen zuständig wären. Hier sieht die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für sexuellen Kindesmissbrauch, Frau Kerstin Claus, ein strukturelles Versäumnis.
Viele Betroffene meiden den direkten Kontakt mit den Institutionen, in denen der Missbrauch geschah. Dass es eine zentrale, staatliche Anlaufstelle gibt, sei für viele von großer Bedeutung. Claus betont, wie wichtig es sei, diese Vertrauensstruktur nicht aufzugeben – gerade weil viele Menschen so überhaupt erst einen Antrag stellen konnten.
Dass das Hilfesystem finanziell an seine Grenzen stößt, war seit Längerem bekannt. Der Bundesrechnungshof hatte bereits Kritik an der Haushaltsführung geäußert. Eine geregelte Übergangslösung fehlt bislang. Claus zeigt sich enttäuscht darüber, dass selbst kurzfristige Überbrückungen offenbar nicht organisiert wurden – trotz Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag.
Frau Claus sieht nun die Bundesregierung in der Pflicht, das System wie angekündigt rechtskonform und zügig neu aufzustellen. Bundesfamilienministerin Prien habe sich bemüht, und auch im Bundestag gebe es nach ihrem Eindruck parteiübergreifend ein ernsthaftes Interesse an einer Lösung. Für Claus steht fest: Der Staat ist den Betroffenen eine stabile Unterstützung schuldig – auch, weil er sie in der Vergangenheit nicht ausreichend geschützt hat.