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Harburg (Kreis)
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Tätigkeitsbericht des WEISSEN RINGS im Landkreis Harburg für das Jahr 2023

Menschen, die Opfer einer Straftat werden, benötigen oft lediglich Unterstützung von ihren Mitmenschen. An diesem Punkt setzt das Engagement der ehrenamtlichen Opferhelferinnen und Opferhelfer des WEISSEN RINGS an. Die Helfer beraten und unterstützen Personen jeden Alters und verschiedenster Nationalitäten, die sich aufgrund der physischen, psychischen oder finanziellen Auswirkungen der erlittenen Straftat häufig in einer Ausnahmesituation befinden.

Im vergangenen Jahr suchten 158 Opfer von Straftaten[1] (im Vergleich zu 111 im Jahr 2022) Unterstützung bei der Außenstelle des WEISSEN RINGS. Dies bedeutet eine Steigerung der Opferzahlen um etwa 42 Prozent.

[1] Die Außenstelle des WEISSEN RINGS im Landkreis Harburg ist für alle Opfer von Straftaten zuständig, die im Landkreis Harburg zum Zeitpunkt des Hilfeersuchens ihren Wohnsitz haben. Somit unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Außenstelle auch Personen, die beispielsweise außerhalb des Landkreises Opfer geworden sind oder auch „landkreisfremde“ Personen, die aus Gründen der Gefährdung sich aktuell im Frauenhaus des Landkreises befinden. Anzahl und Art der bearbeiteten Opferfälle lassen daher keinen Rückschluss auf die Kriminalitätslage im Landkreis Harburg zu.

Zwei Gründe scheinen für diese Zunahme verantwortlich zu sein:

  1. Intensivierung der Medien-/Pressearbeit: Viele Hilfesuchende gaben an, auf den WEISSEN RING durch Informationen in Internet oder Printmedien aufmerksam geworden zu sein. Ohne diese Information hätten sie sich nicht an den WEISSEN RING gewandt. Damit möglichst vielen Kriminalitätsopfern die Unterstützung des WEISSEN RINGS im Landkreis Harburg zu Teil werden kann, gilt es auch im Jahr 2024 die Medien- und Pressearbeit weiterhin zu intensivieren.
  2. Kooperationsvereinbarung mit der Polizeiinspektion Harburg: Durch diese Vereinbarung war es möglich, die Kontaktdaten der Opfer durch die Polizei an den WEISSEN RING weiterzugeben, sofern die Betroffenen der Weitergabe schriftlich zustimmten. Hier kam es insbesondere darauf an, dass die mit dem Sachverhalt betrauten Polizeibeamten des Einsatz- und Streifendienstes sowie des Kriminalermittlungsdienstes die schwierige Situation der Opfer erkannten und dann konkret auf die Unterstützungsmöglichkeiten des WEISSEN RINGS hinwiesen. So war es den Ehrenamtlichen möglich, unverzüglich mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen, zeitnah das erste Opfergespräch zu führen und erste Hilfsmaßnahmen in die Wege zu leiten.

Abbildung 1 – Verteilung weiblicher/männlicher Opfer

Zusammensetzung der Hilfesuchenden

Wie im Jahr 2022 war auch 2023 die überwiegende Mehrheit der Hilfesuchenden weiblich. Dennoch stieg der Anteil männlicher Opfer im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 um 9 Prozent. Das durchschnittliche Alter der Betroffenen lag bei rund 38 Jahren (im Vergleich zu 39 im Jahr 2022).
Die Altersspanne der Unterstützung Suchenden betrug zwei bis 92 Jahre, wobei ein Anstieg der Fälle bei Senioren (über 60 Jahre) auf 15 Prozent der Opferfälle (im Vergleich zu 11 Prozent im Jahr 2022) verzeichnet wurde. Unter den Opfern befanden sich auch dreizehn Kinder und zehn Jugendliche, die zusätzlich durch den Kinderschutzbund oder andere qualifizierte Organisationen unterstützt wurden.
 

Abbildung 2 - Verteilung der Opfer nach Lebensalter


Ereignisse im Jahr 2023

Im Jahr 2023 meldeten sich sechs Hinterbliebene von vollendeten Tötungsdelikten in der Außenstelle des WEISSEN RINGS. Dies umfasste drei Angehörige von Opfern fahrlässiger Tötung sowie drei von Mord bzw. Totschlag. Ein Opfer hatte einen versuchten Mord überlebt. Von Sexual- und Körperverletzungsdelikte betroffene Bürger machten auch in diesem Jahr mit 68 Prozent wieder den Großteil der Hilfesuchenden aus. In 63 Fällen begingen Täterinnen und Täter kriminelle Handlungen im Kontext häuslicher Gewalt[2]. Unter den Opfern häuslicher Gewalt befanden sich 10 männliche Personen.

Insbesondere Männer waren Opfer von Körperverletzungsdelikten, während Frauen verstärkt Opfer von Sexualdelikten wurden. Eine beträchtliche Anzahl der betroffenen Frauen hatte in ihrer Kindheit oder Jugend innerhalb der Familie sexuellen Missbrauch erlebt und suchte erst nach mehreren Jahren die Unterstützung beim WEISSEN RING.

[2] Der Begriff häusliche Gewalt stellt im strafrechtlichen Sinn keine Straftat dar. Häusliche Gewalt ist vielmehr ein Sammelbegriff für die Gewalttaten (z. B. Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung, Vergewaltigung), die in der Ehe, Partnerschaft oder Familie stattfinden – oder auch zwischen Menschen, die nach einer Trennung nicht mehr unter einem Dach leben. Häusliche Gewalt kommt in allen Gruppen unserer Gesellschaft vor, ganz unabhängig von Bildung, Einkommen oder Lebensalter.

Abbildung 3 - Verteilung der Opfer nach Deliktsgruppen


Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass sich der WEISSE RING ausschließlich um Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten kümmert, suchten im Jahr 2023 vermehrt Personen Unterstützung in der Außenstelle, die Opfer von Trickbetrug am Telefon, Love-Scamming[1] und Sextortion[2] wurden. Ebenso wandten sich fünf Menschen, die Hass und Hetze (Verleumdung, üble Nachrede, Beleidigung) erfahren hatten, an den WEISSEN RING, nachdem sie im Internet auf übelste Weise beleidigt, verleumdet und bloßgestellt worden waren.

[3] Love-Scamming bezeichnet eine betrügerische Praktik, bei der jemand online eine falsche romantische Beziehung vortäuscht, um finanzielle Vorteile zu erlangen. Die Betrüger geben vor, in die Opfer verliebt zu sein, bauen eine emotionale Bindung auf und nutzen dann unterschiedliche Taktiken, um Geld oder persönliche Informationen zu erschleichen. Diese Art des Betrugs tritt oft in Online-Dating-Situationen auf, wo die Täter die Gutgläubigkeit und das Vertrauen ihrer Opfer ausnutzen.

[4] Sextortion ist eine Form der Erpressung, bei der Täter sexuell explizite Bilder oder Informationen des Opfers nutzen, um dieses zu erpressen, indem sie mit der Veröffentlichung drohen, es sei denn, bestimmte Forderungen werden erfüllt.


Unterstützung des WEISSEN RINGS

Der WEISSE RING im Landkreis Harburg unterstützt Opfer von Straftaten durch vielfältige Hilfsangebote. Mit den 16 ehrenamtlichen Helfern bietet der WEISSE RING den Betroffenen emotionalen Beistand und praktische Hilfe. Vorrangiges Ziel ist es, die Opfer schnellstmöglich wieder aus ihrer Opferrolle herauszuholen und sie zu eigenverantwortlichem Handeln zu bewegen.

Abbildung 5 - Unterstützungsmöglichkeiten des WEISSEN RINGS


Im Jahr 2023 wurden insgesamt 11 Soforthilfen in tatbedingten Notlagen gewährt. Die Soforthilfen beliefen sich auf eine Gesamtsumme von 3.200 €. Diese finanzielle Unterstützung erwies sich als essentiell, um den Opfern in akuten Notsituationen unmittelbar beizustehen und erste finanzielle Hürden zu überwinden.

Darüber hinaus wurden sieben Opferhilfen in Höhe von 12.087 € an Betroffene von Straftaten ausgezahlt. Diese Mittel trugen dazu bei, den Opfern umfassende Unterstützungen zukommen zu lassen wie beispielsweise die Übernahme von Umzugskosten, wenn das Opfer nach häuslicher Gewalt die Wohnung wechseln musste.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt der geleisteten Arbeit war die Begleitung von fünf Opfern von Straftaten zur Polizei und von 14 Opfern zu Rechtsanwälten. Dies ermöglichte den Betroffenen, ihre Anliegen auf professionelle Weise vorzubringen und stärkte ihre psychische Stabilität.

Die Außenstelle finanzierte zudem 44 anwaltliche Erstberatungen, wodurch Rechtsfragen und -ansprüche frühzeitig geklärt werden konnten. Dieser Service belief sich auf eine Gesamtsumme von 8.439 €. Ebenso wurden neun Rechtshilfen in Höhe von 7.088 € für Opfer von Straftaten gezahlt, um den Betroffenen den Zugang zu einer adäquaten rechtlichen Vertretung zu ermöglichen.

Im Bereich der psychosozialen Unterstützung übernahm die Außenstelle im vergangenen Jahr die Kosten für 40 psychotraumatologische Erstberatungen, die mit 7.590 € finanziert wurden. Diese Maßnahmen trugen dazu bei, den Opfern bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse beizustehen und eine Grundlage für ihre Heilung zu legen.

Besonderes Augenmerk wurde zudem auf die Betreuung von Opfern während des Gerichtsverfahrens gelegt. Insgesamt bereiteten die Opferhelferinnen und Opferhelfer acht Betroffene auf die Gerichtsverhandlung vor und begleitete diese während der Verhandlung. Diese Unterstützung ist von unschätzbarem Wert, um den Betroffenen in der Gerichtsverhandlung die notwendige Sicherheit bei ihrer Zeugenaussage zu geben.
 

Abbildung 6 - Geleistete Hilfen/Unterstützung im Jahresvergleich 2023/2022


Präventive Maßnahmen

Neben der Unterstützung von Kriminalitätsopfern setzt der WEISSE RING weiterhin auf Prävention. Im Jahr 2023 wurden in 10 Vorträgen und bei 15 Präventionsständen insbesondere die Themen "Sicherheit im Alter" sowie "Gegen Gewalt an Frauen" behandelt. Polizeibeamte der Polizeiinspektion Harburg und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WEISSEN RINGS informierten in nahezu allen Seniorenheimen im Landkreis über Trickbetrug am Telefon und andere Gefahren für ältere Menschen. In Zusammenarbeit mit dem Todtglüsinger SV und dem TSV Buchholz 08 konnten zwei Trainings für Selbstbehauptung und Zivilcourage durchgeführt werden. Auch in 2024 werden Trainings für Selbstbehauptung und Zivilcourage aufgrund des positiven Feedbacks wieder angeboten.

Abbildung 7 - Präventionsaktion gegen Trickbetrug am Telefon


Personalentwicklung

Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter blieb im Team 2023 mit 16 konstant, wobei einige Abgänge durch Zugänge kompensiert werden konnten. Aktuell besteht das Team aus 10 Frauen und sechs Männern. Zur optimalen Erfüllung der gestellten Aufgaben wird eine Steigerung der Mitarbeiterzahl auf 20 angestrebt.

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