Die Anzahl der von Stalking Betroffenen ist in den vergangenen 15 Jahren nicht zurückgegangen, obwohl gegen Stalker mittlerweile verschärft mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln vorgegangen wird. Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer umfassenden Vergleichsstudie, die Forscherinnen und Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim im Auftrag der WEISSER RING Stiftung durchgeführt haben. Die Ergebnisse zeigen, dass sich beim Thema Stalking trotz einiger Fortschritte, die in den vergangenen Jahren erzielt wurden, nach wie vor ein hoher Beratungs-, Informations- und Schutzbedarf für Betroffene ergibt.
Die 2018 erhobenen Daten aus einer Befragung von Mannheimer Bürgerinnen und Bürgern wurden mit Daten einer Studie aus dem Jahr 2003 verglichen. Nun liegen die Ergebnisse vor. 10,8 Prozent der Befragten im Jahr 2018 haben angegeben, von Stalking betroffen zu sein. 2003 waren es 11,6 Prozent – somit zeigt sich, dass der Anteil an Betroffenen von Stalking auch nach einem Zeitraum von 15 Jahren fast identisch geblieben ist. „Dies spricht einerseits für die Reliabilität der mit unserer Methode erhobenen Ergebnisse. Andererseits muss leider auch festgehalten werden, dass die Häufigkeit von Stalking im Zeitverlauf nicht signifikant abgenommen hat, obwohl gegen Stalker mittlerweile verschärft mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln vorgegangen werden kann“, sagt Prof. Dr. Harald Dreßing, Leiter Forensische Psychiatrie am ZI. Dreßing hat die Vergleichsstudie zusammen mit Prof. Dr. Christine Kühner, Leiterin der Arbeitsgruppe Verlaufs- und Interventionsforschung, und Prof. Dr. Peter Gass, Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Psychiatrische Tiermodelle am ZI, im Auftrag der WEISSER RING Stiftung durchgeführt.
Cyber-Stalking als neue Methode hinzugekommen
Auch die Geschlechterverteilung von Tätern und Betroffenen ist in den vergangenen 15 Jahren weitgehend identisch geblieben. Frauen sind mit einem Anteil von 14,4 Prozent deutlich häufiger betroffen als Männer (5,1 Prozent). „Das Hauptproblem im Zusammenhang mit Stalking ist nach wie vor die Tatsache, dass es meist Ex-Partner sind, die zum Stalker oder zur Stalkerin werden“, sagt Dreßing. Auffällig sei, dass mit Cyber-Stalking eine neue Methode hinzugekommen ist. Durch Internet und soziale Netzwerke hätten sich die Möglichkeiten von Stalking erweitert. „Cyberstalking ist eine zusätzliche Methode, die neben anderen Methoden vom Stalker eingesetzt wird. Die Anzahl der Betroffenen insgesamt erhöht sich dadurch jedoch nicht in statistisch signifikantem Um-fang“, stellt Dreßing fest.
Gesundheitliche Auswirkungen weiterhin erheblich
Ein Problem ist nach wie vor, dass die gesundheitlichen Auswirkungen bei den Betroffenen erheblich sind. „Stalking ist psychische Gewalt und eine schwerwiegende Straftat. Die Opfer leiden teils jahrelang unter den Folgen der permanenten Nachstellung und Belästigung. Sie werden verfolgt, belästigt und bedroht. Und das zumeist über einen unerträglich langen Zeitraum. Für den WEISSEN RING als Hilfsorganisation stellt Stalking ein zunehmend wichtigeres Thema in der Opferarbeit dar“, sagt Jörg Ziercke, Kuratoriumsvorsitzender der WEISSER RING Stiftung.
„Es gibt mittlerweile eine größere Anzahl an Beratungs- und Behandlungsstellen, die mit der Thematik betraut sind“, erläutert Dreßing. Trotzdem lasse sich eine Abnahme der negativen gesundheitlichen Folgen leider nicht feststellen. „Erfreulich ist, dass unsere Studie zeigt, dass mehr Betroffene professionelle Hilfe suchen“, sagt Dreßing. Allerdings sei es in Anbetracht der schlechten gesundheitlichen Verfassung der Betroffenen bedauerlich, dass nur 34,8 Prozent von ihnen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. 2003 waren es sogar lediglich 27 Prozent.
Rechtliche Möglichkeiten als nicht ausreichend bewertet
Die zwischenzeitlich eingeführten rechtlichen Möglichkeiten, gegen Stalker vorzugehen, werden von Betroffenen im Jahr 2018 mehrheitlich als nicht ausreichend eingeschätzt. 52,1 Prozent der Betroffenen äußerten sich in der Befragung entsprechend. Im Jahr 2003 waren es lediglich 45,5 Prozent gewesen, die die rechtlichen Möglichkeiten als nicht ausreichend bewerteten. Auffällig ist der nach wie vor hohe Anteil an Betroffenen, die angeben, keine ausreichenden Kenntnisse über die rechtlichen Möglichkeiten zu haben.
Hilfsangebote bei Stalking
Häufig ist es für Betroffene schwierig, nachzuweisen, dass ihnen nachgestellt wird. Mit der selbst-entwickelten NO STALK App hat daher die WEISSER RING Stiftung ein effektives, digitales Hilfsmittel für Betroffene von Stalking entwickelt. Stalking-Opfer können mithilfe ihres Smartphones Fotos, Videos und Sprachaufnahmen von Stalking-Vorfällen erstellen. Durch die direkte und unmittelbare Dokumentation mit der NO STALK App, die seit Mai in den Stores von Apple und Android zum kostenlosen Download bereitsteht, wird eine authentische Beweissammlung ermöglicht. Dadurch könnte auch die Verurteilungsquote bei Nachstellung erhöht werden – im Jahre 2017 etwa lag sie bei etwa einem Prozent der in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle von Stalking. Der WEISSE RING bietet Betroffenen die Möglichkeit, sich auch anonym an die Onlineberatung der Opferhilfeorganisation sowie das Opfer-Telefon zu wenden. Letzteres ist bundes-weit kostenlos täglich zwischen 7 und 22 Uhr erreichbar unter 116 006. Zudem haben Stalkingopfer die Möglichkeit, sich direkt an die rund 2.900 ehrenamtlichen Mitarbeiter des WEISSEN RINGS in bundesweit 400 Außenstellen zu wenden.
Das ZI bietet in Mannheim eine Spezialambulanz für Menschen, die von Nachstellung betroffen sind. Termine können telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden: Tel. 0621/1703-2850 (bitte Stichwort „Stalking“ angeben), E-Mail: stalking@zi-mannheim.de.