Die Zahl der erfassten Sexualstraftaten in Deutschland hat 2023 den höchsten Stand seit 24 Jahren erreicht. Seit 2019 verzeichnet das Bundeskriminalamt (BKA) einen Zuwachs von über 30 Prozent bei Sexualdelikten. Auch Stalking und Bedrohungen nehmen deutlich zu – vor allem Frauen sind betroffen. Ein Grund für den Anstieg liegt in der höheren Anzeigebereitschaft, die unter anderem durch gesellschaftliche Debatten wie die Me-Too-Bewegung und gesetzliche Reformen gefördert wurde. Dennoch bleibt die Dunkelziffer weiterhin hoch.
Laut dem Bundesinnenministerium ist nicht unbedingt die tatsächliche Zahl der Straftaten gestiegen, sondern vor allem die Zahl der gemeldeten Fälle. Die Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 („Nein heißt Nein“) habe dabei eine zentrale Rolle gespielt, ebenso wie die zunehmende gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Studien zufolge wird jedoch nur etwa jede zehnte Vergewaltigung tatsächlich angezeigt.
Erstmals wurde 2024 ein spezielles Lagebild zu geschlechtsspezifischer Gewalt veröffentlicht. Es zeigt: Gewalt gegen Frauen, ob im häuslichen Umfeld, im öffentlichen Raum oder online, ist weit verbreitet. Von 2022 auf 2023 haben sich laut Bericht frauenfeindlich motivierte Straftaten nahezu verdoppelt. Das Lagebild soll helfen, die Dimension dieser Gewaltform besser zu erfassen und gezielt zu bekämpfen.
Die Bundesregierung plant Reformen, um Betroffene besser zu schützen. Eine zentrale Maßnahme ist die Einführung einer elektronischen Fußfessel nach spanischem Vorbild. Diese soll Täter automatisch auf Distanz halten und bei Verstoß einen Alarm auslösen. Erste Einsätze gab es bereits, eine bundesweite Einführung wird im Rahmen der Koalitionsverhandlungen diskutiert. Weitere Maßnahmen betreffen die Verschärfung des Gewaltschutzgesetzes und die Schließung von Strafbarkeitslücken im Bereich digitaler sexualisierter Gewalt.
Das kürzlich verabschiedete Gewalthilfegesetz soll flächendeckend Schutzräume sichern und Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Beratung ab 2032 ermöglichen. Ziel ist eine bundesweit einheitliche Versorgung mit Schutz und Unterstützung – unabhängig vom Wohnort. Noch bestehen jedoch Versorgungslücken, besonders im ländlichen Raum.
Fachverbände fordern mehr Ressourcen für Prävention, Opferschutz und Täterarbeit. Aktuell tragen viele Einrichtungen einen Großteil der Kosten selbst – teilweise müssen Schutzsuchende sogar für ihre Unterbringung zahlen. Eine Kostenstudie beziffert den tatsächlichen Bedarf auf rund 400 Millionen Euro – mehr als das Doppelte der derzeitigen Ausgaben.