Die 34-jährige Anna S. lebte über Jahre in einer Beziehung, in der sie wiederholt psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt war. Als sie schließlich den Mut fasste, sich zu trennen und die gemeinsame Wohnung zu verlassen, begann ein neuer Albtraum: Ihr Ex-Partner weigerte sich, den gemeinsamen Mietvertrag zu kündigen. Anna musste weiterhin die Hälfte der Miete zahlen, obwohl sie an einem geheim gehaltenen Ort untergebracht war. Der finanzielle Druck, die Angst vor weiteren Auseinandersetzungen und die Unsicherheit über ihre rechtliche Situation führten zu einer schweren psychischen Krise. Erst nach mehreren Monaten und mit juristischer Unterstützung konnte sie sich aus dem Vertrag lösen.
Mit derartig dramatischen Fällen sind auch die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WEISSEN RINGS im Landkreis Harburg konfrontiert. Die Betroffenen scheitern häufig an bürokratischen Hürden und juristischer Ohnmacht. Ein schneller Ausstieg aus einem gemeinsamen Mietvertrag wäre in vielen Fällen ein entscheidender Schritt in Richtung Sicherheit und Selbstbestimmung.
Auf der kommenden Frühjahrstagung der Justizministerkonferenz (JuMiKo) im Juni steht ein Vorschlag zur Änderung des Mietrechts auf der Agenda. Ziel ist es, Opfern häuslicher Gewalt den Austritt aus einem gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag zu erleichtern – insbesondere dann, wenn sie aus Sicherheitsgründen nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehren können.
Nach aktueller Rechtslage müssen Mietverträge von beiden Mietparteien gekündigt werden. Weigert sich der gewalttätige Partner, bleibt dem Opfer nur der Weg über ein gerichtliches Verfahren. Während dieser oft langwierigen Zeit besteht eine Mitverantwortung für Mietzahlungen, was Betroffene finanziell stark belastet und den Neustart erschwert.
Der diskutierte Vorschlag sieht vor, dass Betroffene häuslicher Gewalt künftig schneller und unbürokratischer aus Mietverträgen ausscheiden können – ohne auf die Zustimmung des ehemaligen Partners angewiesen zu sein. Damit soll verhindert werden, dass Täter durch das Mietverhältnis weiterhin Kontrolle über die Opfer ausüben können.
Während Opferschutzorganisationen und Anwaltsverbände den Reformansatz grundsätzlich begrüßen und auf die enorme finanzielle und psychische Belastung der Betroffenen hinweisen, zeigen sich Vertreter der Vermieter skeptisch. Sie warnen vor Eingriffen in die Vertragsfreiheit und befürchten rechtliche Unsicherheiten durch mögliche Missbrauchsfälle.
Parallel zur Mietrechtsreform arbeitet das Bundesjustizministerium an einem Gesetzesentwurf, der es Familiengerichten ermöglichen soll, elektronische Fußfesseln für Täter anzuordnen. Ziel ist es, Gewaltschutzmaßnahmen effektiver durchzusetzen und potenzielle Rückfälle frühzeitig zu verhindern.